(Veröffentlichungen der UEK, Band 22, Bestellung direkt beim Chronos Verlag)

Netzwerke, Projekte und Geschäfte.
Aspekte der schweizerisch-italienischen Finanzbeziehungen 1936–1943. Beitrag zur Forschung

Benedikt Hauser

Zusammenfassung

Im Vordergrund der Untersuchung steht die Frage, wozu und wie Italien die Dienstleistungen des Schweizer Finanzplatzes von 1936 bis 1943 nutzte. Die Darstellung von Fallbeispielen soll dabei verdichtet zeigen, welche Sachzwänge und Perspektiven sich ergaben, als sich Mussolini zum Überfall auf Abessinien entschloss und das schlecht gerüstete, devisenschwache und rohstoffarme Land vier Jahre später an der Seite Hitlers in den Zweiten Weltkrieg führte, und von welchen Überlegungen sich Schweizer Banken und Behörden leiten liessen, als es in diesem Umfeld galt, die Finanzbeziehungen zum kriegführenden Nachbarstaat zu regeln.

Die Arbeit behandelt einleitend die Themenfelder der engen grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Verflechtungen und des Operierens von informellen Netzwerken zwischen den Finanzsektoren beider Staaten. Am Beispiel eines infrastrukturellen Bauprojekts, das im Rahmen des «Neuen Europa» und der faschistischen Verkehrs- und Aussenwirtschaftspolitik zur Debatte stand, wird danach gezeigt, mit welchen Zielen man in Rom solche Vorstösse lancierte und wie man das finanzielle Potential der Schweiz dabei mit einbezog. Abschliessender Untersuchungsgegenstand ist der Fremdwährungskredit von 125 Mio. Franken, den ein Bankenkonsortium unter der Leitung des Schweizerischen Bankvereins (SBV) und der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) im September 1940 Italien gewährte.

Der Beitrag kommt zum Schluss, dass das Regime des Duce auch nach dem Überfall auf Abessinien und dem Übergang zur Autarkie und trotz des Erlasses der Rassengesetze sowie des Kriegseintrittes an der Seite NS-Deutschlands bei führenden schweizerischen Politikern und Bankiers weiterhin als ökonomisch rational agierender und als vertrauenswürdiger Verhandlungspartner galt, dessen Hartwährungsbedürfnissen man bis Mitte 1941 weitgehend entgegenkam. Wichtigste Gründe dafür waren die von Mussolini wiederholt und gezielt vermittelten Signale seiner vermeintlich freundschaftlichen Verbundenheit mit der Schweiz, der grosse Stellenwert, den man Italien als Transitland für die Landesversorgung der Eidgenossenschaft beimass, sowie die verhältnismässig hohe Zuverlässigkeit der faschistischen Behörden beim Transfer von Kapitalerträgen an ihre schweizerischen Gläubiger.