(Veröffentlichungen der UEK, Band 16, Bestellung direkt beim Chronos Verlag)

Die Schweiz und die Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg

UEK (Hg.)

Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Goldtransaktionen der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges darzustellen. Sie stellt eine erweiterte und überarbeitete Zweitauflage des im Mai 1998 publizierten Zwischenberichtes der UEK dar und bezieht insbesondere auch den volkswirtschaftlichen und geldpolitischen Kontext mit ein. Das Hauptgewicht des Textes liegt auf der Rolle der Schweiz als Umschlagplatz für Gold aus dem Machtbereich des «Dritten Reiches», wobei die Politik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Vordergrund steht. Weiter wird auf die Goldgeschäfte zwischen der SNB und den Alliierten, die Aktivitäten der Schweizer Geschäftsbanken auf dem Goldmarkt und die vielschichtige Interessenlage in Verbindung mit der letzten schweizerisch-deutschen Goldtransaktion im April 1945 eingegangen. Schliesslich befasst sich die Studie mit den im Frühling 1946 stattfindenden Washingtoner Verhandlungen zwischen der Schweiz und den Alliierten, welche insbesondere auf eine Einigung in der Goldfrage abzielten.

Grundlagen
77% aller Goldlieferungen nach dem Ausland wickelte die Reichsbank während des Zweiten Weltkriegs über die Schweiz ab (Tabelle 1). Davon entfielen anteilsmässig 94% auf die SNB und 6% auf die Schweizer Geschäftsbanken. Die Goldsendungen der Reichsbank an die SNB beliefen sich je nach Berechnung auf insgesamt 1,6 bis 1,7 Milliarden Franken. Von diesem Betrag erwarb die SNB per Saldo 1,2 Milliarden Franken; der Rest ging an Depots, die andere Zentralbanken und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) bei der SNB unterhielten (Tabelle 4). Unter dem von Deutschland in die Schweiz gelieferten Gold befand sich solches, das bereits vor 1933 in den Besitz der Reichsbank gelangt war. Es umfasst aber auch Bestände, welche das NS-Regime aufgrund spezieller Erlasse in den Verfügungsbereich des deutschen Währungsinstitutes gebracht hatte. Hinzu kam Raubgold (Kapitel 1.2). Unter diesen Begriff fällt insbesondere das Gold von ermordeten und überlebenden Opfern der NS-Vernichtungspolitik (Kapitel 1.2.2).

Gold ist infolge seiner Schmelzbarkeit leicht umzuwandeln. Es bieten sich viele Möglichkeiten, die Spuren seiner Herkunft zu verwischen. Diese Eigenschaften des Goldes nützten die Machthaber des «Dritten Reiches» bei der Beraubung ihrer Opfer und bei der Verwertung der geraubten Güter systematisch aus. Gold solcher Herkunft gelangte auch in die Schweiz. In der Studie wird deshalb auch der Wissensstand über die Herkunft von Raubgold bei den SNB-Verantwortlichen in den verschiedenen Phasen des Krieges untersucht (Kapitel 3.4).

Die SNB übernahm ebenfalls bedeutende Mengen Gold von den westlichen Alliierten. So kaufte sie von 1941 bis 1945 in den USA und Grossbritannien Gold im Wert von 2,9 Milliarden Franken (Tabelle 8). Diese Transaktionen wurden, im Gegensatz zu den Goldlieferungen der Reichsbank, mit legal erworbenen Währungsreserven durchgeführt und resultierten zu einem Grossteil aus transatlantischen Kapitalbewegungen.

Den schweizerischen Goldübernahmen während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere jenen aus Deutschland, lagen unterschiedliche Motivationen zugrunde. Die SNB bezweckte damit primär die Aufrechterhaltung der Golddeckung und der Konvertibilität des Frankens. Eine Politik, deren Grundlagen sich in der Zwischenkriegszeit verfestigten, in deren Zentrum die Verteidigung des Finanzplatzes und einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz stand und die während der Kriegsjahre mit der Sicherung der Landesversorgung verbunden wurde (Kapitel 2).

Das Verhalten der Währungsverantwortlichen kann jedoch nicht mit diesen Beweggründen allein erklärt werden. Hinsichtlich der schweizerischen Goldübernahmen von der Reichsbank lässt sich ein Handlungsmuster verfolgen, das weitgehend dem Kriegsverlauf entspricht (Kapitel 3.3). Die massiven Goldkäufe vom «Dritten Reich» und von den westlichen Alliierten stellten die schweizerischen Währungshüter ab 1943 vor währungspolitische Schwierigkeiten. Die Erhöhung des Notenumlaufs und dessen Auswirkung auf das inländische Preisgefüge drohten die stabilitätspolitischen Zielsetzungen zu untergraben. Die wichtigste Massnahme, die zur Vorbeugung gegen dieses Problem getroffen wurde, bestand in der Reduktion der Goldbestände in den USA mittels Goldübernahmen des Bundes von der SNB (Kapitel 4.5/4.6).

Die Goldtransaktionen zwischen der Schweiz und dem «Dritten Reich»
Die Devisenzwangswirtschaft und die wirtschaftliche Kriegsführung schränkten die internationalen Währungstransaktionen immer stärker ein, so dass als weltweit konvertible Valuta schliesslich nur noch der Schweizer Franken übrigblieb. Der Gegenwert in schweizerischer Währung, den das NS-Regime im Austausch gegen Goldlieferungen erhielt, war deshalb von hoher Bedeutung. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nahm der Bedarf des «Dritten Reiches» an kriegswichtigen Rohstoffen stark zu. Dazu gehörte auch Wolfram, das zur Hauptsache in Portugal gewonnen wurde. Deutschland benötigte deshalb Escudos, die es gegen Gold bei Schweizer Geschäftsbanken erwarb.

Die an die Reichsbank verkauften Escudos hatten sich die Banken gegen Franken zuvor in Portugal beschafft. Dadurch verfügte die portugiesische Zentralbank schon bald über grosse Mengen schweizerischer Valuta, die sie bei der SNB in Gold eintauschte. Diese Transaktionen hatten zur Folge, dass die Goldreserven des schweizerischen Noteninstituts zurückgingen. Die Lage wurde verschärft, als am 22. Juni 1941 sämtliche kontinentaleuropäischen Guthaben in den Vereinigten Staaten gesperrt wurden. Davon war auch die SNB betroffen, denn ein grosser Teil ihrer Goldreserven befand sich in den USA. Vor diesem Hintergrund sah sich die schweizerische Notenbank im Herbst 1941 veranlasst, die Reichsbank zu ersuchen, Goldbestände nicht mehr an Schweizer Grossbanken, sondern nur noch an die SNB zu liefern. Berlin kam dieser Bitte nach (Kapitel 3.3.2).

Die Goldkäufe von der Reichsbank durch die SNB erreichten 1942 ihren Höhepunkt (Tabelle 21). Allein in diesem Jahr beliefen sie sich auf 424 Mio. Franken. Auch nach Stalingrad, als sich das Schwergewicht auf den Kriegsschauplätzen in Europa verlagerte, veränderte sich die Goldpolitik der SNB gegenüber Deutschland zunächst kaum. Der Wert des von der Reichsbank angekauften Goldes blieb hoch und belief sich bis Ende 1943 auf weitere 370 Mio. Franken. Erst 1944 reduzierte sich das Volumen der Goldtransfers und bildete sich auf 180 Mio. Franken zurück.

Der Druck der Alliierten, die erstmals anfangs 1943 vor Goldübernahmen aus Deutschland warnten, hatte zunächst keine konkreten Folgen. Als am 22. Februar 1944 eine Erklärung folgte, die sich gegen die Übernahme geraubten Goldes durch neutrale Staaten aussprach, blieb die SNB weiterhin der Auffassung, dass sie die Entgegennahme von Gold der Reichsbank prinzipiell nicht ablehnen könne. Einzig bei den Goldstücken, die sie vom deutschen Noteninstitut erwarb, beschränkte sie sich ab Ende April ausschliesslich auf Münzen, die in Deutschland geprägt worden waren (Kapitel 3.3.3).

Im Februar 1945 entsandten die Alliierten eine Delegation unter der Leitung von L. Currie in die Schweiz. Nach zähen Verhandlungen verpflichteten sich die Schweizer Behörden im Abkommen vom 8. März 1945, keine weiteren Goldkäufe von der Reichsbank zu tätigen, es sei denn zur Deckung der Auslagen der diplomatischen Vertretung des Reichs in der Schweiz, für Kriegsgefangene sowie für Beiträge an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (Kapitel 3.3.4).

Die letzte Goldtransaktion mit dem «Dritten Reich» und die Rolle der Versicherungen
Die letzte Lieferung von Gold aus Deutschland an die SNB fand am 13. April 1945 statt. Zu den treibenden Kräften dieser Übernahme gehörten insbesondere auch Vertreter der Schweizer Versicherungen, die auf eine Abgeltung ihrer Forderungen gegenüber ihren Geschäftspartnern in Deutschland drängten (Kapitel 6). Nach intensiven Verhandlungen mit der Reichsbank wurde am 11. April 1945 eine staatsvertragliche Vereinbarung abgeschlossen. Das Abkommen sah vor, für die erwähnten Zahlungen auf die Frankenguthaben der Reichsbank bei der SNB in Bern zurückzugreifen, obwohl diese Mittel ursprünglich für die Abgeltung von humanitären und diplomatischen Bedürfnissen bestimmt gewesen waren. Die Schweiz hatte jedoch mit den Alliierten vereinbart, für diese Zwecke weiterhin Goldannahmen aus Deutschland zuzulassen. Faktisch handelte es sich um einen Kunstgriff, der einem Täuschungsmanöver gleichkam, um Ansprüche der Assekuranz befriedigen zu können.

Die Goldkäufe der SNB von den Alliierten
Von den zwischen 1941 und 1945 durch die SNB in den USA getätigten Goldkäufen können höchstens 1 Milliarde Franken als effektive Finanzdienstleistungen an die USA angeführt werden. Der restliche Betrag entfiel auf die Umwandlung von Schweizer Dollarguthaben in Gold. Diese Geschäfte dienten ab Sommer 1940 zur Rückführung schweizerischer Fluchtgelder. Die Goldoperationen zwischen der Schweiz, den USA und Grossbritannien waren grossenteils das Ergebnis internationaler Kapitalbewegungen. Zudem dienten sie schweizerischerseits der Finanzierung von Exporten und wurden von den Alliierten für humanitäre Zwecke sowie für die Finanzierung kriegswichtiger Dienstleistungen verwendet (Kapitel 4).

Gemäss den Angaben der SNB wurde über die Hälfte der ab 1941 auf ihrem Depot in New York gegen Gold hinterlegten Gelder im Betrag von rund 810 Mio. Franken zur Finanzierung schweizerischer Exporte und dabei vorwiegend zugunsten der Uhrenindustrie verwendet. Der restliche Betrag diente in erster Linie der Finanzierung von humanitären Aktionen und der Bedürfnisse der Diplomatie.

Die Aktivitäten der schweizerischen Geschäftsbanken auf dem Goldmarkt
Die Geschäftsbanken nahmen vor allem in den Jahren 1940 und 1941 eine wichtige Stellung am Schweizer Goldmarkt ein. Aufgrund der lückenhaften Quellenlage lassen sich diese Operationen heute nur noch unvollständig rekonstruieren. Insgesamt zählten diese Geschäfte jedoch nicht zu den Hauptaktivitäten der grössten Banken, wenn sie ihnen auch die Gelegenheit zur Erzielung kurzfristiger Gewinne boten (Kapitel 5.8).

Auch wenn die Schweizer Finanzinstitute nach 1941 nur noch sehr wenig Gold direkt aus Deutschland importierten, so spielten sie im Gold- und Devisenhandel weiterhin eine wichtige Rolle. Während des Krieges gab die SNB grössere Mengen Gold an den inländischen Markt ab. Dazu gehörte eine grosse Anzahl Münzen aus Belgien, die sich Deutschland unrechtmässig angeeignet hatte und anschliessend an die SNB verkaufte (Kapitel 5.10). Diese Verkäufe erfolgten hauptsächlich durch Vermittlung der Banken. Auch im Handel mit Escudos waren die kommerziellen Institute weiterhin aktiv. Neu war ab Oktober 1941 einzig, dass die Reichsbank nicht mehr mit Gold bezahlte, sondern mit Schweizer Franken, die sie gegen Gold von der SNB erhalten hatte.

Im Verlaufe des Jahres 1942 trieb die starke inländische Nachfrage nach dem gelben Metall den Goldpreis in die Höhe und führte zu einer Überhitzung des Goldmarkts in der Schweiz. Am 7. Dezember 1942 beschloss deshalb der Bundesrat, für den Handel mit Gold die Konzessionspflicht einzuführen und Höchstpreise zu fixieren. Zudem mussten Goldgeschäfte mit dem Ausland neu durch die SNB bewilligt werden (Kapitel 5.4). Die erwünschte Wirkung blieb nicht aus. Der Goldmarkt begann sich zu beruhigen. Gleichzeitig intensivierten sich jedoch ab Ende 1942 die Aktivitäten auf dem inländischen Schwarzmarkt (Kapitel 5.7). Es gibt Hinweise, dass darin vereinzelt auch Grossbanken verwickelt waren. Der weitaus grösste Teil der Goldtransaktionen fand indes ganz legal und zu den offiziellen Höchstpreisen statt. Einige Geschäftsbanken wichen auch ins Ausland aus und führten ihre Goldgeschäfte in Argentinien und der Türkei fort (Kapitel 5.5).

Der Rechtfertigungsdiskurs der SNB-Verantwortlichen
Von 1943 an geriet die SNB wegen der Goldübernahmen aus Deutschland zunehmend unter Druck. Sie hatte sich gegenüber dem Vorwurf zu verteidigen, Raubgold erworben zu haben. Auch musste sie damit rechnen, mit Forderungen auf Herausgabe der von der Reichsbank abgekauften Goldbestände konfrontiert zu werden. Deshalb sah sie sich zu Rechtfertigungen gezwungen. Zu diesem Zweck brachte sie nachträglich drei Argumente ins Spiel: Erstens gab sie vor, in gutem Glauben gehandelt zu haben und über den unrechtmässigen Erwerb von Gold durch die Reichsbank nicht im Bilde gewesen zu sein. Zweitens vertrat sie den Standpunkt, dass angebliche Neutralitätsverpflichtungen ihr keine andere Wahl gelassen hätten, als eine «absolut neutrale» Haltung einzunehmen und beide Kriegsparteien gleich zu behandeln. Schliesslich behaupteten die SNB-Verantwortlichen, die Goldübernahmen von der Reichsbank hätten dazu beigetragen Deutschland vor einer Invasion der Schweiz abzuhalten (Dissuasionsthese). Die Studie zeigt, dass alle drei Argumente Bestandteil eines nachträglich konstruierten Rechtfertigungsdiskurses der Währungshüter waren, der einer historischen Analyse nicht standhält (Kapitel 3.4).

Das Abkommen von Washington
Im Rahmen der Konferenzen von Jalta und Potsdam wurde 1945 das Prinzip gutgeheissen, alle sich ausserhalb von Deutschland befindenden deutschen Guthaben zu beschlagnahmen. Die Schweiz wurde ebenfalls an den Verhandlungstisch gebeten (Kapitel 7). Es zeigte sich, dass die Alliierten über die Goldtransaktionen zwischen der Reichsbank, der SNB und den Schweizer Geschäftsbanken gut informiert waren. Insgesamt schätzten sie das Gold, das Notenbanken geraubt worden war und das die SNB der Reichsbank abgekauft hatte, auf einen Wert von mindestens 800 Mio. Franken.

Nach zähen Verhandlungen kam am 25. Mai 1946 ein Abkommen zustande. Darin wurde unter anderem festgehalten, dass die Schweiz eine Abfindungssumme von 250 Mio. Franken für die Abgeltung der Goldübernahmen zu zahlen hatte. Die schweizerischen Entscheidungsträger betrachteten diese als einen freiwilligen Beitrag an den Wiederaufbau Europas, nicht aber als Schuldbekenntnis. Im Gegenzug erklärten sich die drei Alliierten bereit, für sich und die fünfzehn von ihnen vertretenen Staaten auf alle Ansprüche gegenüber der schweizerischen Regierung oder der SNB mit Bezug auf das von der Schweiz während des Krieges von Deutschland übernommene Gold zu verzichten. Dafür sollten die sich in der Schweiz befindenden, vom Bundesrat gesperrten Vermögenswerte von in Deutschland lebenden Deutschen liquidiert werden. Die Frage der Liquidierung der in der Schweiz blockierten deutschen Vermögenswerte wurde jedoch erst im Rahmen eines im August 1952 finalisierten Ablösungspakets des Washingtoner Abkommens geregelt. Die Schweiz überwies den Alliierten eine Ablösesumme von 121,5 Mio. Franken, welche ihr von der Bundesrepublik Deutschland abgegolten wurde. Dafür gab sie die gesperrten Werte frei, womit ihre Besitzer in Deutschland wieder über sie verfügen konnten.