(Veröffentlichungen der UEK, Band 13, Bestellung direkt beim Chronos Verlag)

La place financière et les banques suisses à l'époque du national-socialisme.
Les relations des grandes banques avec l'Allemagne (1931–1946)
Der schweizerische Finanzplatz und die Schweizer Banken in der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Beziehungen der Grossbanken mit Deutschland (1931–1946)

Marc Perrenoud, Rodrigo López, Florian Adank, Jan Baumann, Alain Cortat, Suzanne Peters

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie ist dem Finanzplatz Schweiz gewidmet. Sie befasst sich insbesondere mit den Geschäftstätigkeiten der grossen Schweizer Banken mit Deutschland in den Jahren 1931 bis 1946. Es werden sechs Themen analysiert: 1. die Strukturen des Finanzplatzes Schweiz und dessen Veränderungen; 2. die nicht in den Bilanzen ausgewiesenen Tätigkeiten der Grossbanken und die während des Krieges erzielten Gewinne; 3. die Deutschland von den Schweizer Grossbanken gewährten Kredite und die Verhandlungen, um dieses Kapital und die Zinsen nach der Finanzkrise von 1931 zu repatriieren; 4. die Geschäftsbeziehungen der grossen Banken mit deutschen Bankinstitutionen; 5. der Antisemitismus und die Konfrontation der schweizerischen Banken mit den antisemitischen Massnahmen in Deutschland; 6. die Beziehungen der Schweizer Banken zu den Alliierten.

Im ersten Kapitel werden die strukturellen und konjunkturellen Faktoren beschrieben, die zum Aufschwung des Finanzplatzes Schweiz beitrugen: der Auftritt der Schweiz als Finanzplatz im Ersten Weltkrieg, die Stabilität des Schweizer Frankens, das Bankgeheimnis, die politische Stabilität, der soziale Frieden, der Liberalismus und die Neutralität. Dieser Teil hebt durch die Publikation bisher unveröffentlichter Zahlen die Bedeutung der nicht in den Bilanzen ausgewiesenen Tätigkeiten der Schweizer Banken (Vermögensverwaltung) hervor. Ebenso werden bisher unveröffentlichte Zahlen über die reellen Gewinne der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) und des Schweizerischen Bankvereins (SBV) in den dreissiger Jahren und während des Krieges publiziert.

Das zweite Kapitel befasst sich mit der deutschen Finanzkrise 1931 und den internationalen Vereinbarungen, zu denen sie führte. Angesichts der Finanzkrise kamen die internationalen Gläubiger Deutschlands überein, ihre Darlehen nicht kurzfristig zurückzunehmen und so den völligen Zusammenbruch des deutschen Wirtschaftssystems zu verhüten. Die internationalen Gläubiger unterzeichneten Vereinbarungen, die sogenannten «Sonderabkommen» oder deutschen Stillhalteabkommen, in denen sie sich verpflichteten, ihre Kredite nicht vor sechs Monaten aus Deutschland zurückzuziehen. Als Gegenleistung garantierte Deutschland unter anderem die Zahlung der Zinsen auf das eingefrorene Kapital. Diese Vereinbarung wurde jährlich von allen Gläubigern bis 1939 erneuert, danach nur noch von einigen Ländern (Vereinigte Staaten, Belgien, Niederlande, Schweiz) und nach 1941 nur noch von der Schweiz.

Die Investitionen der Schweizer Banken in Deutschland bestanden fast ausschliesslich aus kurzfristigen Krediten, die unter die «Sonderabkommen» fielen und die so in den Genuss der Zinszahlungen in Devisen gelangten. Dagegen kamen die anderen Finanzgläubiger (namentlich die Inhaber von deutschen Wertpapieren) nicht in den Genuss derselben Erleichterungen für den Transfer des Einkommens aus ihren Investitionen, denn Deutschland hatte 1933 ein allgemeines Moratorium für Finanztransfers ausgerufen, das auf alle mittel- und langfristigen Schulden angewendet wurde. In der Schweiz gab diese Situation Anlass zu Spannungen zwischen den Banken und den anderen Finanzgläubigern, aber auch mit den Industriekreisen, die von Deutschland Devisen für die Warenexporte haben wollten. Von einigen Ausnahmen abgesehen, waren alle diese Zahlungen von 1934 an durch das Verrechnungsabkommen geregelt.

Im dritten Kapitel geht es um die Strategie der sieben Schweizer Grossbanken, um mit der Blockierung ihrer Guthaben in Deutschland 1931 fertig zu werden Vom Juli 1931 an sahen sich die Schweizer Banken mit zwei grossen Problemen konfrontiert: der Blockierung ihrer Kredite in Deutschland und der schweizerischen Wirtschaftskrise. Da es ihnen nicht möglich war, bedeutende blockierte Summen in Deutschland zu unterhalten – sie brauchten schliesslich Liquidität in der Schweiz – handelten sie im Rahmen der «Sonderabkommen» verschiedene Lösungen aus, um ihre deutschen Kredite zu zurückzuführen. Die wichtigste unter ihnen war die Schaffung der Registermark, das heisst eine Art von abgewerteter Reichsmark, die Verluste einbrachte, wenn sie in Devisen umgetauscht wurde. Die schweizerische Wirtschaftskrise, der Mangel an Liquidität und Verluste im Zusammenhang mit der Rückführung der deutschen Kredite brachten mehrere Banken in Schwierigkeiten: nach der Fusion mit der Union financière nahm der Comptoir d'Escompte de Genève den Namen Banque d'Escompte Suisse an und wurde 1934 aufgelöst; die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) setzte ihr Kapital zweimal herab; die Schweizerische Volksbank erhielt 100 Millionen von der Eidgenossenschaft (1/4 der gesamten Ausgaben des Bundes) und musste noch ein zweites Mal saniert werden; die Eidgenössische Bank und die Basler Handelsbank (BHB) wurden aus Mitteln der Darlehenskasse der Eidgenossenschaft gestützt, bevor sie 1945 von der Schweizerischen Bankgesellschaft und dem Schweizerischen Bankverein übernommen wurden; der Bank Leu & Co. kam der SBV zu Hilfe. Diese Studie hat erstmals eine Statistik über die deutschen Investition der verschiedenen Banken erstellt. Zwei Banken, die SKA und der SBV, konnten mit der Blockierung ihrer Guthaben in Deutschland fertig werden, weil sie interne Reserven angehäuft hatten, mit denen sie ihre Verluste amortisieren konnten, und weil sie ein recht vielfältiges Spektrum an Geschäften betrieben. Der SBG gelang es dank der Übernahme der Eidgenössischen Bank, sich auf das Niveau der beiden grössten Banken heraufzuarbeiten. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die schweizerische Bankenlandschaft von diesem Trio beherrscht.

Das vierte Kapitel befasst sich mit den Geschäftsbeziehungen der schweizerischen Banken mit dem Dritten Reich. Bei diesen von den schweizerischen Banken mit Deutschland betriebenen Geschäften handelte es sich um kurzfristige Operationen: Ankauf von Gold, Wertpapieren, Banknoten, Eröffnung von Akkreditiven, Finanzierung von Waffenexporten, verschleierte Finanztransfers. Für gewisse Banken wie die Basler Handelsbank oder die Bank Leu & Co. waren diese Operationen von wesentlicher Bedeutung und haben ihr vorläufiges Überleben gesichert. Anderen Banken, wie dem SBV, der SKA oder der SBG haben diese Geschäfte zusätzliche Gewinne eingebracht. Seit der Blockierung ihrer Kredite in Deutschland im Jahre 1931 bestand die Politik der Banken darin, keine Kredite mehr auf der anderen Seite des Rheins zu gewähren. Dagegen gewährten sie deutschen Grossunternehmen wie der IG Farben Kredite in der Hoffnung, diese letzteren als Kunden für die Nachkriegszeit zu behalten.

Die Kapitel drei und fünf gehen auf die Haltung der schweizerischen Bankiers angesichts der Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten, der antisemitischen Massnahmen und der Gewalt der Nazis ein. Die Machtergreifung Hitlers wurde von mehreren Bankiers als Schutzwall gegen den Kommunismus und als beruhigende Stabilisierung erachtet. In einer zweiten Phase verspürten die Bankiers immer mehr Misstrauen gegenüber den Nationalsozialisten aufgrund von deren Wirtschaftspolitik. Man muss diese Reaktionen mit anderen Situationen vergleichen: der SBV gehörte zu den ersten ausländischen Banken, die der Regierung Franco einen Kredit einräumten; dagegen verringerten die Schweizer Banken nach der Machtübernahme der Volksfront in Frankreich ihre diesem Land gewährten Kredite.

Mehrere Führungspersönlichkeiten von Banken waren von einem latenten Anti-judaismus geprägt, der in einigen Fällen zum Antisemitismus wurde. In einigen Banken hegte man starke Vorbehalte (unter anderen in der SKA und im SBV) gegenüber der Idee, mit jüdischen Financiers zusammenzuarbeiten. Die SBG stellte ein Parteimitglied der Nazis ein, das ihre Interessen in Deutschland vertreten sollte. Im SBV wendeten gewisse Mitarbeiter auf Schweizer Kunden Naziausdrücke wie «Arier» und «Nichtarier» an.

Die Schweizer Banken sahen sich mit der Arisierung von jüdischen Unternehmen konfrontiert, denen sie Kredite gewährt hatten. Sie suchten dann ihre Kredite zu retten, indem sie mit allen Parteien zusammenarbeiteten, doch suchten sie nicht von sich aus Arisierungsgeschäfte. Solche Operationen wurden als zu heikel für ihren internationalen Ruf erachtet, und bei diesen Transaktionen bestand auch die Gefahr, dass sie später einmal angefochten würden. In einigen Fällen haben die Schweizer Bankiers Juden geholfen, ihr Vermögen in die Schweiz zu überführen und vor dem Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen.

Im sechsten Kapitel werden die Beziehungen der Schweizer Banken mit den Alliierten behandelt. Verschiedene Fälle heben die Rolle der Schweizer Banken hervor, um deutsche Interessen vor den Vereinigten Staaten zu verbergen: verschleierte Transaktionen für die Reichsbank, Vermögensverwaltung auf Rechnung deutscher Kunden in den Vereinigten Staaten und Errichtung von Tarnfirmen, um den deutschen Einfluss auf amerikanische oder englische Gesellschaften zu verbergen. Das Jahr 1941 brachte eine bedeutende Wende für die Schweizer Banken: Blockierung der schweizerischen Guthaben in den Vereinigten Staaten (Juni 1941), Nachforschungen über ihre Tätigkeiten, Ausübung von Druck, damit sie gewisse Transaktionen zugunsten Deutschlands unterliessen. Den Kern des von den Banken organisierten Widerstands bildeten zwei Elemente: die Neutralität und das Bankgeheimnis. Dieser Widerstand wird an der Aktion der Bankiers im Rahmen der Blockierung der deutschen Guthaben in der Schweiz und ihrer späteren Liquidierung aufgezeigt. Um keinen Präzedenzfall zu schaffen, drängten die schweizerischen Bankiers auf eine Entschädigung der deutschen Kunden. Dies war eine bedeutende Botschaft an die Kapitalinhaber in aller Welt: Wenn es zum Schlimmsten kam, garantierte die Schweiz sicherere Bedingungen als die anderen Länder.

(Original auf französisch)