Zusammenfassung
Die Schweiz war während
des Zweiten Weltkriegs der wichtigste Umschlagplatz für Gold aus
dem Machtbereich des Dritten Reichs. 79 Prozent aller Goldlieferungen
nach dem Ausland wickelte die Reichsbank über die Schweiz ab. Davon
entfielen anteilsmässig 87 Prozent auf die SNB und 13 Prozent auf
schweizerische Geschäftsbanken. Die Goldsendungen der Reichsbank
an die SNB beliefen sich je nach Berechnung auf insgesamt 1,6 bis 1,7
Milliarden Franken. Von diesem Betrag erwarb die SNB per Saldo 1,2 Milliarden
Franken auf eigene Rechnung; der Rest ging an Depots, die andere Zentralbanken
und die BIZ bei der SNB unterhielten. Erhebliche Mengen des von der SNB
erworbenen Goldes wurde an Drittländer weiterverkauft, insbesondere
an Portugal (452 Millionen Franken), Spanien (185 Millionen Franken) und
Rumänien (102 Millionen Franken).
Unter dem von Deutschland
gelieferten Gold befand sich solches, das bereits vor 1933 in den Besitz
der Reichsbank gelangt war oder auf ordentlichen Wegen erworben wurde.
Dazu kam das schon vor dem Krieg mit staatlichen Zwangsmitteln in den
Verfügungsbereich des deutschen Währungsinstituts gebrachte
Gold. Nach Kriegsausbruch wurde für das Dritte Reich Raubgold zu
einer wichtigen Quelle der Devisenbeschaffung. Unter Raubgold sind zu
verstehen: konfisziertes und geplündertes Gold sowie Gold, das das
NS-Regime ermordeten und überlebenden Opfern der Vernichtungspolitik
raubte. Schliesslich zählen zum Raubgold auch die Währungsreserven
von Zentralbanken im Machtbereich des NS-Staates. Nach Kriegsende hat
es die Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold
unterlassen, eine Differenzierung der Kategorie Raubgold vorzunehmen.
Der Wert des von der
Reichsbank in die Schweiz nachweisbar gelieferten Opfergoldes beläuft
sich auf 581 899 Franken. Die Direktion der SNB hat zwar Ende 1943
über die Konfiskation von Gold deportierter Juden diskutiert, doch
gibt es keine Hinweise, dass die Entscheidungsträger des schweizerischen
Noteninstituts Kenntnis davon hatten, dass Barren mit solchem Gold von
der Reichsbank in die Schweiz geliefert wurden. Zudem ist nach dem heutigen
Erkenntnisstand unbekannt, wer dieses Gold erwarb.
In den ersten beiden
Kriegsjahren führte die Reichsbank ihre Goldtransaktionen in der
Schweiz vor allem über die Geschäftsbanken durch. Die SNB bat
die Reichsbank im Oktober 1941, das Gold nur noch an das schweizerische
Währungsinstitut zu liefern. Von da an erhielten die Geschäftsbanken
von der Reichsbank keine regelmässigen Goldsendungen mehr. Wichtigster
Grund für die Intervention der SNB war, dass die internationalen
Drehscheibengeschäfte mit Gold und Devisen über die Schweiz
einen Rückgang der inländischen Goldreserven bewirkten, der
währungspolitisch unerwünscht war. Auf Ende 1942 wurde der schweizerische
Goldhandel mit dem Ausland per Bundesratsbeschluss bei der SNB zentralisiert.
Den Goldübernahmen
der SNB aus Deutschland lagen unterschiedliche Ziele zugrunde. Primär
bezweckten sie die Aufrechterhaltung der Golddeckung und der Konvertibilität
des Frankens, die Sicherung der Landesversorgung und der Funktionsfähigkeit
des schweizerischen Finanzplatzes.
Zu Beginn des Kriegs
unternahm die SNB bezüglich des von der Reichsbank gelieferten Goldes
keinen Versuch, zwischen rechtmässig erworbenem und geraubtem Gold
zu unterscheiden. Schon 1941 wussten die SNB-Verantwortlichen, dass Deutschland
über Raubgold verfügte. Dieser Sachverhalt war Gegenstand der
Diskussion anlässlich interner Sitzungen. Das Direktorium erwog 1942
sogar die Umschmelzung von Goldsendungen aus dem Dritten Reich. Das Gremium
verfügte über die Information, dass in Belgien und den Niederlanden
Gold von Privatpersonen konfisziert wurde. Ab 1943 war klar, dass die
Lieferungen der Reichsbank auch Gold von Zentralbanken besetzter Länder
enthalten konnten.
Die offiziellen Warnungen,
welche die Alliierten ab Anfang 1943 aussprachen, veranlassten die SNB,
Absicherungsmassnahmen zu ergreifen und Garantien über die einwandfreie
Herkunft des Goldes aus deutschen Vorkriegsbeständen zu verlangen.
Zu einer Änderung ihrer Haltung wurde die SNB nicht durch eigene
Initiative, sondern erst durch äusseren Druck veranlasst. Lange Zeit
hat das Direktorium nicht zur Kenntnis genommen, dass der NS-Staat systematisch
eine Politik der Raub- und Plünderungswirtschaft und der Ermordung
von Menschen und Bevölkerungsgruppen betrieb. Obwohl deutlich zu
erkennen war, dass sich Deutschland unrechtmässig Gold aneignete,
blieben die SNB-Verantwortlichen einer Praxis des business as usual
verhaftet.
Im Wissen um die problematische
Herkunft des Goldes und die diesbezüglichen Warnungen der Alliierten
setzten sich Vertreter schweizerischer Banken und Versicherungen noch
in den letzten Kriegsmonaten für eine fortgesetzte Übernahme
von Gold aus Deutschland durch die SNB ein. Diese Transfers, die bis April
1945 stattfanden, wurden unter anderem mit dem Ziel der Bezahlung von
Zinsen und der Begleichung weiterer Ansprüche von Finanzgläubigern
in der Schweiz vorgenommen. Sie dienten auch dem Zweck, den Zahlungsverkehr
mit Deutschland so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und mithin
eine möglichst gute Ausgangsbasis für die Gestaltung der schweizerisch-deutschen
Finanzbeziehungen nach dem Krieg zu schaffen.
Ab 1943 entwickelte
die Leitung der SNB ein argumentatives Verteidigungsdispositiv, um sich
gegen die Vorwürfe der Alliierten abzusichern. Nach dem Krieg vertrat
sie gegenüber ihren Kritikern im In- und Ausland die Auffassung,
sie habe das Gold aus Deutschland im guten Glauben an dessen einwandfreie
Herkunft erworben. Überdies hätten sich die Operationen in Übereinstimmung
mit den Grundsätzen der schweizerischen Neutralität befunden.
Im weiteren wurde argumentiert, das Risiko eines deutschen Überfalls
auf die Schweiz sei verringert worden, indem sich das Währungsinstitut
mit den Goldkäufen für Deutschland nützlich gemacht habe,
und schliesslich habe das Direktorium die Goldpolitik auch mit der schweizerischen
Regierung abgesprochen.
Aus heutiger Sicht
sind die Argumente der Gutgläubigkeit und der neutralitätspolitischen
Verpflichtung zu den Goldübernahmen nicht stichhaltig. Wie sich anlässlich
der Verhandlungen des Washingtoner Abkommens herausstellte, wussten die
Verantwortlichen der SNB schon während des Kriegs, dass die Reichsbank
auch Raubgold in die Schweiz lieferte. Eine neutralitätspolitische
Verpflichtung zur Annahme gestohlenen Golds gab es nicht. Zudem erwies
sich die Gutgläubigkeitsthese als argumentative Falle: Ohne Verlust
ihrer Glaubwürdigkeit konnte die SNB nicht von ihr abrücken.
Zur seitens der SNB
vorgebrachten These, das der Reichsbank abgekaufte Gold habe dazu beigetragen,
Deutschland von einer Invasion der Schweiz abzuhalten, ist zunächst
zu bemerken, dass die Kriegführung Hitlers nicht primär von
Überlegungen geleitet war, die sich als zweckrationale Reaktion auf
eine wirtschaftliche Abschreckungspolitik bezeichnen lassen. Zudem hat
die SNB die Landesregierung über die Dimensionen und Hintergründe
der Geschäfte mit der Reichsbank nach eigenem Bekunden des Bundesrats
nur ungenügend und verspätet informiert. Die Tatsache, dass
die SNB die Dissuasion erst ab 1943 als Motiv für ihre Goldübernahmepolitik
von Deutschland bezeichnete, legt den Schluss nahe, dass es sich um ein
ex post vorgebrachtes Argument für die Rechtfertigung der praktizierten
Goldpolitik handelt.
Das Gewinnmotiv kann
nicht als handlungsleitender Beweggrund für die Goldübernahmen
der SNB aus Deutschland angesehen werden. Es spielte bei der Verwertung
des erworbenen Goldes durch den Verkauf an Dritte aber durchaus eine Rolle.
Ein direkter Vergleich
der Goldübernahmen aus Deutschland mit denjenigen von alliierter
Seite verbietet sich, denn im Gegensatz zu dem von der Reichsbank gekauften
Gold handelte es sich bei dem Gold der Alliierten um Zahlungsmittel, die
in vollen Umfang rechtmässig erworben worden waren. Die Goldoperationen
zwischen der Schweiz, den USA und Grossbritannien waren grossenteils das
Ergebnis internationaler Kapitalbewegungen. Zudem dienten sie schweizerischerseits
der Finanzierung von Exporten und wurden von den Alliierten für humanitäre
Zwecke sowie für die Finanzierung kriegswichtiger Dienstleistungen
verwendet.
Das Thema der Goldtransaktionen
im Krieg ist mit andern historischen Fragestellungen verknüpft. Deshalb
ist es notwendig, das Problem der Goldübernahmen von Deutschland
im erweiterten Rahmen der aussenwirtschaftlichen Beziehungen, der Handelspolitik
sowie der allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Vorgänge der
Zeit des Zweiten Weltkriegs näher zu untersuchen. Die Kommission
befasst sich aus historischer Sicht auch mit den rechtlichen Fragen des
Goldhandels und wird im Hinblick auf den Schlussbericht verschiedene dieser
Aspekte durch juristische Experten begutachten lassen.
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